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Grüne Stadt, gesunde Menschen? Fassadenbegrünung als gute Möglichkeit für dicht bebaute Städte

Dicht an dicht, Haus an Haus. Wo ist da Platz für ausreichend Grün und Naherholungsgebiete in der Nachbarschaft? Fassadenbegrünungen können eine platzsparende Möglichkeit sein. Wir zeigen die Vorteile und weitere aktive Gestaltungsmöglichkeiten.


Oft wird vorhandener Platz für neue Häuser und größeren Wohnraum verwendet, anstatt für Parkanlagen oder Gemeinschaftsgärten. Um diesen Konflikt zu lösen, bietet sich die Begrünung von Dächern und Fassaden dort an, wo es keine zusätzlichen Begrünungsflächen gibt. Neben den positiven Effekten auf das Klima, bringt die Fassadenbegrünung auch psychologisch wertvolle Aspekte mit sich. Die Idee hierbei ist, Menschen in ihrem Alltag den Kontakt zur Natur zu ermöglichen und die positiven Wirkungen von Begrünung zu nutzen, ohne zusätzliche Flächen in Anspruch zu nehmen.

Kühle Brise statt Hitze-Hotspot

In Großraumgebieten können sich sogenannte Urban heat island-Effekte einstellen. Dieser Effekt
beschreibt das Phänomen, dass sich dicht bebaute Gebiete im Sommer stark aufheizen. Das kann einen Temperaturunterschied von bis zu +5°C ausmachen. Durch Dach- und Fassadenbegrünungen können diese Temperaturanstiege abgemildert und das Mikroklima im direkten Umfeld verbessert werden, sodass sich die Umgebungstemperatur signifikant verringert.

In Deutschland wurden die Effekte eines grünen Daches auf seine Umgebung gemessen. Während sich innerhalb von 20 Jahren die Umgebung des grünen Daches um 1,5°C erwärmte, blieb die Temperatur in der direkten Nähe der Begrünung konstant und veränderte sich nicht (Köhler & Kaiser, 2019). Durch eine vermehrte Nutzung solcher innovativen Begrünungsformen könnten Städte als Gesamtes heruntergekühlt werden. Ein weiterer Vorteil ist, die Wirkung von Pflanzen auf Umgebungslärm.

Vogelzwitschern zum Aufwachen

Lärm und Luftverschmutzung sind neben dem Klima die brennenden Themen in der Stadtplanung. Um diese Beeinträchtigungen der Lebensqualität zu reduzieren, können grüne Fassaden als Milderung dienen. Doch wie funktioniert die Lärmreduktion durch eine Fassadenbegrünung? Bepflanzte Wände absorbieren einen Teil des Lärms, da der Schall weniger stark reflektiert wird als an glatten Oberflächen. Die Effekte bewegen sich hierbei im Bereich von 1 bis 10dB (Cardinali et al., 2023). Weiters dienen sie als Lebensraum für Insekten und Vögel. Beim besiedeln oder besuchen der Begrünung, entsteht eine angenehme Geräuschkulisse für Passant*innen, die den positiven akustischen Reizen ausgesetzt sind und die sich von Alltagsbelastungen, durch solche Mikro-Pausen, besser erholen können.

Körper und Geist verweilen lassen

Viele Menschen leiden unter Stress und dadurch bedingten gesundheitlichen Probleme, wie Herzkreislauferkrankungen. Weiters nehmen psychische Störungen stetig zu.  So hat sich der Anteil an Menschen mit psychischen Problemen, zwischen 2005 und 2015, um etwa 16% erhöht (WHO, 2021). Die große Herausforderung wird es in Zukunft sein, die psychische Gesundheit von Menschen sicherzustellen. Naturnahe Gestaltung kann hierbei einen Beitrag leisten. Durch die erhöhte Präsenz von Natur wird das psychologische Wohlbefinden von Menschen verbessert. Zum Beispiel haben grüne Wände eine entspannende und wohltuende Wirkung auf den Menschen. Wir fühlen uns weniger gestresst und zeigen eine positivere Stimmung (Elsadek et al., 2019). In Schulen mit grünen Wänden im Inneren konnte die Reduktion von Angst und Stress nachgewiesen werden und sogar psychische Erkrankungen wie Depression werden durch eine grünere Umgebung beeinflusst (Gunn et al., 2022). Auch die verbesserte Produktivität, Kreativität und Konzentration stehen in Verbindung mit begrünten Elementen (Goel et al., 2022). 

Wie kann ich aktiv werden? Was kann ich tun? Hilfe zum Begrünen

Fassaden- und Dachbegrünungen umzusetzen erfordert Expert*innenwissen und eine Fläche. Für motivierte Menschen, die keine Möglichkeit für diese Begrünungsarten haben, gibt es dennoch Angebote, selbst mitzuwirken.

Hausbesitzer*innen können sich  von der Stadt Wien für ein solches Projekt bis zu 5.200€ Förderung und Beratung abholen. Wer kein eigenes Haus besitzt, kann seine Fensterbank oder den öffentlichen Raum begrünen. Der Gehsteig ist öffentlicher Grund. Somit kann man in Wien, mit einer entsprechenden Genehmigung des Magistrats, Pflanztöpfe aufstellen. Dabei muss eine Gehsteigbreite von mindestens 2 Metern zwischen Pflanztopf und Gehsteigkannte gesichert sein, auf der restlichen Fläche kann gestaltet werden, ob Sitzbank oder Mikrovorgarten. Die Agenda Währing zeigt, wie es geht und stellt das entsprechende Antragsformular zur Verfügung. Aus stadtpsychologischer Perspektive wären 50cm Gestaltungsfreiheit zwischen Gehsteig und Hauswand ein wirklicher Gewinn für Wien. Ohne formellen Aufwand, könnte für Wiener*innen und Wiener eine niederschwellige Art der Beteiligung und Aneignung geschaffen werden. In manchen Städten gibt es das bereits. Dort werden Pflastersteinreihungen, anstatt versiegelter Asphalt, gelegt, die für temporäre oder dauerhafte Zwecke, entnommen und andere Installationen z.B. bodengebundene Begrünungen verankert werden.

Eines ist sicher: Der Bedarf nach mehr Grün in der Stadt ist gegeben und wird noch drängender. Durch die Umsetzung des Projekts „Das Grüne Band – Artenvielfalt im Parkverbund“ kommen die Menschen dem Leben im Grünen ein Stück näher – und können selbst dabei mitwirken und mitentscheiden. Nutzen wir die Möglichkeiten – und die Vorteile von Begrünung schon jetzt. Für eine Stadt mit mehr Lebensqualität und gesünderen Bewohner*innen. 

 

Fotos: ©STADTpsychologie

Weiterführende Links:

Literatur:

  • Köhler, M., & Kaiser, D. (2019). Evidence of the Climate Mitigation Effect of Green Roofs – A 20-year Weather Study on an Extensive Green Roof (EGR) in Northeast Germany. Buildings, 9(7). https://doi.org/10.3390/buildings9070157
  • Cardinali, M., Balderrama, A., Arztmann, D., & Pottgiesser, U. (2023). Green walls and health: An umbrella review. Nature-based solutions, 3. https://doi.org/10.1016/j.nbsj.2023.100070
  • WHO (2021). Green and Blue Spaces and Mental Health – New Evidence and Perspectives for Action. WHO Regional Office for Europe.
  • Elsadek, M., Liu, B., & Lian, Z. (2019). Green facades: their contribution to stress recovery and well-being in high-density cities. Urban forestry & urban greening, 46, 126446. https://doi.org/10.1016/j.ufug.2019.126446
  • Gunn, C., Vahdati, M., & Shahrestani, M. (2022). Green walls in schools – the potential well-being effects. Building and environment, 224, 109560. https://doi.org/10.1016/j.buildenv.2022.109560
  • Goel, M., Jha, B., & Khan, S. (2022). Living walls enhancing the urban realm: a review. Environmental science and pollution research, 29, 38715-38734. https://doi.org/10.1007/s11356-022-19501-7

Dieser Text entstand unter Mitarbeit von Lara Bednorz und Sabine Weschta

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