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Das Wesen „Urban-Loritz-Platz“

Zwischen Sonnenschein, Wind und Regentropfen begibt sich ein stadtpsychologisches Forscherteam an einem Ort, der grundsätzlich nicht zum Verweilen einlädt: den Urban-Loritz-Platz. Um herauszufinden, was sein Wesen ausmacht, setzen sie sich auf die Stiegen, die zur Hauptbibliothek führen und blicken auf den Platz. Geleitet von der Methode des Empirischen Stadtspaziergangs beginnen sie, sich auf ihn einzulassen.

Wo sind Orientierungspunkte? Wo sind die Ausgänge, wo die Eingänge?

Plan Urban-Loritz-PlatzEigentlich ist nicht klar, wo der Urban-Loritz-Platz beginnt und wo er aufhört. Wie groß ist er wirklich? Besteht er nur aus der Mittelzone oder gehört auch der parkartige Grünbereich Richtung Westbahnstraße dazu? Umgestiegen ist beinahe jeder schon einmal hier, mit dem Auto oder mit dem Rad vorbeigekommen auch. Die Mittelzone mit der Überdachung ist prominent und weithin sichtbar. Der parkähnliche Bereich der ebenfalls dazugehört, ist vermutlich nur der Nachbarschaft bekannt.

Wozu lädt dieser Ort ein? Was möchte man tun oder eben nicht tun am Urban-Loritz-Platz?

Die Stiegen werden von Sonnenschein geflutet, das liegt an der markanten Ausrichtung nach Süden. Eigentlich lädt nur der „obere“ Teil auf den Stufen ein wenig zum Verweilen ein. Dinge anfassen oder etwas Essen muss nicht unbedingt sein. Relativ rasch stellt sich ein Gefühl von „Aufstehn und Gehen“ ein.

Was sehen, was hören, was riechen oder was fühlen wir hier?

Von der Treppe lässt es sich weit in den Süden blicken. Hochhäuser am Wienerberg und Kräne, vermutlich im 12. Bezirk, dominieren in der Ferne. Die Gründerzeithäuser umgeben den Platz und vieles ist in Bewegung: unten auf den Straßen, um den Platz herum, bewegen sich Autos, Straßenbahnen und Fahrräder lärmend aneinander vorbei. Aber auch ein Stück Natur mit Bäumen und Vögeln ist zu sehen. Es ist schmutzig. Aufkleber, Zigarettenstummel, Graffitis und dazwischen die klassischen Stadttauben. Die einrollende U-Bahn löst eine spürbare Vibration aus. Sehr dominant ist der Autolärm des Gürtels zu hören. Ein Klarinettenspieler spielt beim Eingang der U-Bahn. Nur leise dringen die Töne durch den Verkehrslärm durch. Im U-Bahn Bereich schwebt ein strenger Uringeruch und auf dem Platz selbst riecht es nach dem Fett der Imbissbuden. Oben auf den Treppen, wo das Forscherteam sitzt, trägt der Wind jedoch alle Gerüche fort.

Was macht diesen Platz besonders, wie hebt er sich von anderen Orten der Stadt ab?

Sicher ist, dass er jedenfalls nicht typisch für Wien ist. Er ist ein urbaner Verkehrsort, wie er nur in Großstädten vorkommt. Vielleicht ist er auch ein „Unort“, denn die schiere Masse an Autos macht ihn zu laut und ungemütlich. Was den Platz dennoch wirklich abhebt, ist die Möglichkeit in der engen Stadt ein Stück Fernsicht zu genießen. Trotzdem löst er vor allem Anspannung und Unruhe aus. Acht Spuren für Autos, querende und stehende Straßenbahnen und die darunter liegende U-Bahn lassen keine Ruhe zu. Transit und Verkehr formen das eigentliche „Wesen“ des Urban-Loritz-Platzes.

Welche Menschen nutzen diesen Platz? Überwiegt eine Gruppe Menschen? 

Ganz eindeutig überwiegt die Bewegung, das Fahren, das Umsteigen. Menschen laufen zwischen den Imbissbuden, Cafes, Geschäften und den Wartehäuschen hin und her. Gleichzeitig ist der Platz auch Aufenthaltsort für eher marginalisierte Personen. Was hier beinahe symbolisch auffällt ist: „unten“ halten sich eher die Menschen aus sozial schwierigeren Verhältnissen auf, „oben“ auf den Stiegen sitzen die Studierenden, vielleicht auch Touristen. Die Segregation der Stadt wird beim genaueren Hinsehen an diesem Ort ganz deutlich sichtbar.

Was könnte sich an diesem Ort ändern, was soll bleiben und wie würden sich diese Veränderungen dann auf das Wesen des Urban-Loritz-Platzes auswirken?

Die Antworten auf diese Frage fallen zunächst utopisch aus, nämlich den Gürtel als Autostraße komplett aufzugeben und den frei gewordenen Raum als großen Park zu gestalten. Eine etwas realistischere Idee wäre die Wegnahme von zwei Autospuren für den gesamten Gürtel, um den Autoverkehr zu reduzieren, das Tempo zu verlangsamen, und so die Dominanz des Autos und des Lärms zu verringern.
Zur akuten Aufwertung des Platzes wäre die Treppe öfters zu reinigen, die Fassade von der Bücherei gürtelseitig zu begrünen, die Membrane transparent zu machen.  Es nähme die dunkle Anmutung und gäbe den Platz eine freundlichere Ausstrahlung.

Nach längerer Diskussion stellt das Forscherteam fest, dass dieser Ort, egal welche Veränderungen gesetzt werden, seinen  Charakter als Transitraum wohl behalten würde.

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