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Das Otto-Wagner-Areal: Ein Ort im Umbruch

Leerstand einer großen innerstädtschen Fläche eröffnet Raum für Träume und Visionen einer neuen Nutzung. Die Klink Penzing verlässt nach und nach das Otto-Wagner-Areal im Westen Wiens. Doch für wen ist dieser Ort geeignet? Was sind seine Besonderheiten und welches Potenzial birgt er für die Zukunft? 


Bei der Neugestaltung eines solch historischen Geländes sind zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen. Im Rahmen der Lehrveranstaltung von Cornelia Ehmayer-Rosinak, an der Universität Wien, führten wir, die Studierenden, im November 2023 einen empirischen Spaziergang, auf dem Otto-Wagner-Areal durch. Dadurch erlangten wir ein tieferes Verständnis für diesen Ort.

Das Otto-Wagner-Areal im Fokus

Das 53 Hektar große Pavillonsystem wurde 1907 nach Plänen des renommierten Wiener Architekten Otto Wagner fertiggestellt und diente lange Zeit als Klinik. Doch im Wiener Spitalskonzept 2030 zeichnete sich ab, dass das ehemalige Otto-Wagner-Spital den Anforderungen eines moderenen Krankenhauses nicht mehr gerecht werden kann. Das Gelände befindet sich im Besitz der Stadt Wien, die nun eine vielfältge Nachnutzung im universitären, sozialen und kulturellen Bereich anstrebt.

Die derzeitige Umbruchphase macht das Otto-Wagner-Areal zu einem faszinierenden Untersuchungsobjekt für unser Stadtpsychologie Seminar. Durch den empirischen Spaziergang versuchen wir, die Essenz dieses Ortes zu erfassen und uns eine Grundlage für die Analyse des anstehenden Wandels zu schaffen.

Eine Oase am Rande der Stadt

Das Otto-Wagner-Areal präsentiert sich als einzigartige Oase am Rande der Stadt: Historische Jugendstilgebäude mit großzügigen Fenstern und Terrassen prägen das Bild, während zwischen den Gebäuden viel Grünfläche und Raum zur Enftaltung gegeben ist. 

Abgesehen von leisem Vogelgezwitscher und entferntem Verkehrslärm herrscht eine ungewohnte Stille. Nur wenige Menschen durchstreifen das Gelände – hauptsächlich Mitarbeiter*innen und vereinzelt Spaziergänger*innen. Viele der Pavillons scheinen leer zu stehen und lassen kaum Anzeichen einer Nutzung erkennen.

Der imposante Haupteingang des Areals bildet einen klaren Orientierungspunkt. Ein Zentrum lässt sich jedoch nicht eindeutig ausmachen. Die Kirche weiter oben auf dem Gelände mit ihrer goldenen Kuppel oder der Platz unten an der Uhr beim Eingang nehmen am ehesten die Rolle von Sammelpunkten ein. Das Gelände lässt sich von oben bis unten in ca. 15 Minuten abgehen. Die Pavillons sind in drei Reihen angeordnet und haben reichlich Abstand zueinander. So entstehen breite Wege und grüne Flächen zwischen den Gebäuden. Vor einem Pavillon gibt es einen kleinen umzäunten Garten, der heraussticht. Während die meisten Pavillons und Grünflähen ungenutzt wirken, lässt dieser kleine Garten einen lebendigen Gebrauch erahnen.

Ein Ort zum Flanieren und Verweilen
Der Ort lädt zum Flanieren und Verweilen ein. Er bietet Gelegenheit in sich zu gehen, die Architektur der Gebäude interessiert zu betrachten und die Ruhe und das Grün der Bäume und Pflanzen zu genießen. Doch abseits davon gibt es hier gerade kaum etwas zu tun. So gibt es zwar ein Café auf dem Gelände, nur hat dies zum Zeitpunkt unseres Besuches leider geschlossen. Das Otto-Wagner-Areal ist jedoch kein gewöhnlicher Ort: es ist ein Ort, der im Umbruch steht. Dieser Umstand ist uns bewusst und so werden wir zum Träumen verleitet. Wir sehen überall Möglichkeiten und Ideen, wie das Areal neu bespielt werden könnte. Dabei sind die attraktiven Elemente „Platz“ und „Grünflächen“ von zentraler Bedeutung für uns.

Die Zukunft: Werkstätten und Gemeinschaftsgärten

Mit Blick auf die leerstehenden Pavillons und die Wiesen und Bäume um sie herum, träumen wir uns vielfältige Nutzungen des Geländes herbei. Auf den Grünflächen könnten Open-Air-Konzerte, Picknicks und Yoga-Sessions stattfinden. In den Pavillons mit ihren großen Fenstern und Terrassen könnten Werkstätten und Kollektive ihren Platz finden. Die Pavillons könnten für Discotheken und Bars verwendet werden oder gar zu attraktiven Studierendenwohnheimen umgebaut werden. 

Wir stellen uns vor, wie in einer neu entstandenen Holzwerkstatt, moderne Sitzgelegenheiten gebaut und anschließend auf dem Gelände verteilt werden. Auf den Grünflächen könnte vereinzelt Gemüse angebaut werden, welches in Gemeinschaftsküchen verkocht werden würde.

Utopie und Widerspruch

In unseren Vorstellungen bildet sich ein zentrales Thema heraus: wir würden den Ort sehr gerne beleben und ihn zu einem sozialen Aufenthaltsraum machen, an dem sich Menschen begegnen können. Jedoch möchten wir ebenfalls die wunderschöne äußere Erscheinung der Gebäude und den Erholungscharakter des Geländes beibehalten. Der Ort ist ein wenig wie eine leere Leinwand, die darauf wartet, bemalt zu werden. Nur handelt es sich dabei nicht um eine neue Leinwand direkt aus dem Künstlerbedarfsladen. Die Leinwand ist sehr alt und hat einen ganz eigenen Charakter, der – egal was auf die Leinwand gemalt wird – das fertige Bild mitprägen wird.

Vorsicht bei der Umsetzung

 Für die Umsetzung aller Begehrlichkeiten ist also Vorsicht geboten. Denn der Ort ist alt und hat sein ganz eigenes Wesen, das es nicht zu verschrecken gilt. Es bedarf einer sanften Ortsentwicklung, um beides zu schaffen: Einen Ort der Begegnung, der den sozialen Zusammenhalt stärkt, einen Ort der Kreativität und Ermöglichungen und auch einen Ort der Erinnerung, der das vertraute Wesen des Otto-Wagner-Areals beibehält.

Ein Text von Jasper Brockmann.
Fotos ©STADTpsychologie/Jasper Brockmann

Literatur

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