Nachlese zum 2. Meidlinger Klima-Grätzl Symposium
Was Initiativen wie „MEI MEIDLING“ so besonders macht? Sie fördern Partizipation schon ab der Entwicklung und Planung. Alle wichtigen Gruppen werden einbezogen: Politik, Verwaltung, Anrainer*innen, Geschäftstreibende, Expert*innen. Unterschiedlichsten Meinungen und Bedürfnissen wird Raum gegeben und zusammen an einem gemeinsamen Ziel – der Verbesserung der eigenen Wohnumgebung – gearbeitet. Das Miteinander führt nicht nur zum Abbau von Ängsten und Vorurteilen, sondern stärkt auch das positive Klima im Grätzl und hebt damit seinen Wert.
Auf Initiative von Sigrid Mayer wurde das Grätzlprojekt „MEI MEIDLING“ gegründet. Nach einem erfolgreichen Auftakt im letzten Jahr, fand heuer im August das 2. Meidlinger Klima-Grätzl Symposium statt. In Kooperation mit den Marktstandler:innen und vielen freiwilligen Helfer:innen wurden die Rosalia- und Mandlgasse, nahe dem Meidlinger Markt, in eine Zone der Begegnung und des Austauschs verwandelt. Eingeladen wurden Expert:innen, Bezirksvorstehung, Stadt Wien und auch Anrainer:innen und Marktstandler:innen zum mitdiskutieren und mitmachen. Die Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer sprach im Rahmen des Symposiums über Beteiligung und den Wert von engagierten Nachbarschaften in Zeiten des Klimawandels.
„Der Meidlinger Markt – ein unbeschriebenes Blatt, das danach lechzt bekritzelt, bemalt und geformt zu werden“
Besucher:innen wurde, wortwörtlich, ein Blick in die Zukunft geboten. Teilnehmer:innen konnten sich spielerisch mit dem Klimawandel auseinandersetzen. Wichtige Fragen wie „Wie sieht eine klimafitte Zone aus? Wie funktioniert eine Stadt und wer darf sie mitgestalten?“ wurden gestellt.
Themen wie diese stellen nicht nur eine große Herausforderung dar, sondern bringen auch große Veränderungen mit sich. Gemeint sind bauliche Veränderungen, sowie Veränderungen in der Wahrnehmung und im Erleben der eigenen Umwelt. Diese Veränderungen können für viele Menschen irritierend sein. Das kommt daher, weil Menschen grundsätzlich ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität haben (Maslow, 1943). Dieses Bedürfnis hängt damit zusammen, dass Menschen in ihrer sich laufend verändernden Umwelt, nach etwas gleichbleibendem suchen. Häuser, die man schon sehr lange kennt, die es „schon immer“ gegeben hat, bieten so eine Beständigkeit. Werden sie abgerissen, oder komplett umgebaut, entsteht ein Bruch in der Wahrnehmung. Neue Bauten stören dann besonders zu Beginn die gewohnte Stabilität. Zusätzlich entsteht die Sorge um Lärm und Schmutz oder dass der Blick zerstört wird. Letzteres wird dann oft als persönliche Kränkung erlebt. Die Frage wer alles einzieht, bringt ebenfalls Unsicherheit und beschäftigt die Leute oft sehr lange.
Was hilft, damit Änderungen in der Nachbarschaft besser angenommen werden?
Zunächst ist es wichtig sich bewußt zu machen, dass jede Veränderung eine Irritation auslöst die, im extremen Fall, auch als Kontrollverlust erlebt werden kann. Kontrollverlust bedeutet, dass Menschen den Eindruck bekommen, dass über sie hinweg entschieden wird und sie darauf keinen Einfluss haben. Das erzeugt Stress. Um Kontrollverlust entgegenzuwirken, ist bei geplanten Änderungen eine frühzeitige Information der Betroffenen ein Muss. Nachvollziehbare und niederschwellig aufbereitete Informationen helfen dabei, Entwicklungen besser zu verstehen und mit den Veränderungen besser umgehen zu können.
Der beste Weg, um die Zustimmung und Unterstützung der Menschen zu gewinnen, ist den Dialog zu suchen und Angebote für Beteiligung zu schaffen.
Die aktive Teilnahme an der Bezirksentwicklung fördert Aneignung und stärkt den Bezug zur eigenen Umgebung. Ein Gefühl der Kontrolle stellt sich ein und der Hilflosigkeit wird entgegengewirkt. Letztlich kann damit ein positives Gefühl, sogar Zugehörigkeit, für die Veränderung entwickelt werden (Walden, 1995).
Die Zukunft, allen voran die Klimakrise, wird noch viele Veränderungen mit sich bringen, die ein Grätzl oder ein Bezirk als soziales System bewältigen muss. Eine wesentliche Ressource ist, die Nachbarschaften zu stärken, indem Leute eingeladen und zum Austausch angeregt werden. Projekte wie „MEI MEIDLING“ bei denen sich viele unterschiedliche Menschen einbringen können, sind dazu besonders gut geeignet, weil sie die Leute mitsamt ihren Gedanken, Sorgen und Ideen abholen. Sie tragen dazu bei, dass Nachbarschaften zukunftsfähig werden. Darin liegt der hohe Wert solcher Initiativen.
Weiterführende Links:
- Das Video zur Diskussion finden Sie >>hier
- Das Symposium zum Nachlesen finden Sie >> hier
- Infos zum Projekt „MeiMeidling“ finden Sie >> hier
Quellen:
- Ehmayer, C. (2010). Die [Aktivierende Stadtdiagnose] – Vorstellung einer
stadtpsychologischen Methode zur Förderung nachhaltiger Stadtentwicklungsprozesse. In Schrenk, M., Popovich, V. V. & Zeile, P. (Hrsg.),
Cities für Everyone: Liveable, Healthy, Prosperous. Tagungsband, CORP. - Maslow, A. (1943). A Theory of Human Motivation. In Psychological Review. Vol. 50 #4, (S. 380).
- Markt und Straßen stehen verlassen, (o.D.). https://www.stadtbekannt.at/spaziergaenge/meidlinger-markt/ (abgerufen am 20.09.21)
- Walden, R. (1995). Wohnen und Wohnumgebung. In Keul, A. (Hrsg.), Wohlbefinden in der Stadt – Umwelt- und gesundheitspsychologische Perspektiven (S. 69–98). Weinheim: Beltz.
Fotocredits: Moritz Mayer