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Wesen Wien, 2023 – was hat sich seit damals verändert?

Genau 20 Jahre nach der ersten Studie, vertiefte sich die STADTpsychologie wieder in die Seele der Stadt. Diesmal galt es nicht nur den unverwechselbaren Charakter von Wien zu erforschen sondern auch zu fragen, was sich seit damals verändert hat. Dazu wurden 77 Personen online qualitativ befragt.


Bereits in der Studie 2003 hat sich abgezeichnet, dass alles, was Wien ausmacht, von Ambivalenz geprägt ist. Ein Zitat aus der aktuellen Umfrage fasst diese Ambivalenz treffend zusammen und verdeutlicht, dass alle Bereiche davon durchzogen sind.

„Sympathisches Chaos, befreiende Distanziertheit, Wien ist echt, in Wien ist alles möglich und Wien bietet alles. Wien ist grau und grün zugleich. Modern und veraltet zugleich und der Wiener ist grantig und herzlich zugleich. Von Bobo bis Prolo alles drin. Migrantenviertel und Cottageviertel – oft nur wenige Schritte voneinander entfernt. Mundlslang und Schönbrunner Deutsch – ein Wiener, eine Wienerin kennt und kann beides.“


Das Zitat verweist auch auf die Ambivalenz der Wiener Art. Die Wiener*innen wurden ebenfalls wie vor 20 Jahren vorwiegend mit negativen Eigenschaften beschrieben, wobei diese auch häufig in Zusammenhang mit positiven genannt wurden. Es scheint sehr unterschiedlich aufgefasst zu werden, ob beispielsweise der Grant etwas Positives oder Negatives ist. Ein Teil bezeichnet ihn als Charme und der andere Teil einfach nur als Unfreundlichkeit.

Trotz des Grants ist Wien aber weiterhin eine sehr lebenswerte Stadt, die sich dadurch auszeichnet, nicht nur das Gefühl einer Großstadt zu vermitteln, sondern auch das eines Dorfes. In Wien ist man sehr schnell im Grünen und kann sich erholen und auch in der Stadt geht es gemütlich und langsam zu. Die Gemütlichkeit sorgt für eine sehr angenehme Stimmung in der Stadt, verhindert gleichzeitig aber auch schnelle Veränderungen.

Eine Frage, die sich erneut stellt, ist, ob Wien nur äußerlich von Klischees geprägt ist oder ob diese auch dem gelebten Wien entsprechen. Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Das Klischee des Wiener Grants wird von einigen auch im Alltag erlebt, ebenso wie die Gemütlichkeit, die in Kaffeehäusern gelebt wird. Andere Klischees wiederum werden im Alltag kaum erlebt und scheinen eher für den Tourismus inszeniert zu werden, wie die kaiserzeitliche Darstellung und die Fiaker.

2003 war das Fazit noch, dass Wien sehr stark der Vergangenheit nachhängt und diese bewahren will. Außerdem sei die größtenteils negativ beschriebene Wiener Art eine starke Belastung. Mittlerweile scheinen die Wiener:innen offener für Veränderungen zu sein und wünschen sich mehr Innovationsbereitschaft, wie unter anderem beim Thema Verkehr und Wahlrecht deutlich wird. Sie sind sich gesellschaftlicher Probleme bewusst und fordern für deren Lösung Veränderungen. Ebenso zeigt sich, dass sich die Wiener Art in einem gewissen Maße verändert hat. Dieses Jahr wurden die Wiener:innen zwar immer noch überwiegend mit negativen Eigenschaften beschrieben, aber dennoch eindeutig mehr positive Eigenschaften genannt als 2003. Wien ist Veränderungen gegenüber also doch nicht vollkommen resistent.

Für die Entwicklung von Wien wird es in Zukunft wichtig sein, Veränderungen weiterhin zuzulassen und aktiv anzugehen. Eine große Herausforderung wird es sein, einerseits lebenswert und gemütlich zu bleiben und gleichzeitig innovativ und wandelbar zu werden. Die Wiener:innen scheinen sich dieser Probleme bewusst und bereit für Veränderungen zu sein. Wie gut es Wien und seinen Bewohner*innen gelingen wird, durch all diese Krisen zu kommen, werden die nächsten 20 Jahre zeigen. Die STADTpsychologie ist da durchaus vorsichtig optimistisch. 

Die Umfrage 2023 wurde online geführt und ist ein Stimmungsbild, das im wissenschaftlichen Sinne nicht repräsentativ ist. Basierend auf den langjährigen Erfahrungen der STADTpsychologie mit Wien, darf den Aussagen aber durchaus vertraut werden.

>> Download: Umfrage_WESEN WIEN, 2023. Eigenforschung

>> Wien.ORF.at: Wien ist toleranter geworden

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