BLOG

Safe City – Gestaltung gegen Angsträume

Viele kennen das: Auf dem Nachhauseweg ist es dunkel und da sind sie diese Zonen im öffentlichen Raum, die eine Anspannung hervorrufen. Die Sinneswahrnehmungen laufen auf Hochtouren, die Unsicherheit steigt und der Wunsch, sicher zur Wohnung zu kommen, ist hoch. Ein Angstraum. Menschen fürchten an diesen Orten, Opfer eines Verbrechens zu werden, unabhängig davon, wie gefährlich der Ort tatsächlich ist. Warum Angsträume klimaschädliche Konsequenzen haben und wie sie in der Stadtplanung vermieden werden können, darüber wollen wir in diesem Blog berichten.

3 Faktoren für oder gegen Angsträume

Öffentliche, städtische Räume, die ein Unsicherheitsgefühl hervorrufen, werden als Angsträume bezeichnet. Wie ein Ort zu einem Angstraum wird, lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen. Ein wichtiger Faktor sind die baulichen Gegebenheiten eines Ortes. Schlechte Beleuchtung und Unübersichtlichkeit sind die häufigsten Ursachen für Angstgefühle. Hinzu kommen soziale Faktoren — das heißt, wie viele und welche Menschen einen Ort frequentieren oder einsehen können. Wenig Frequenz und schlechte Einsehbarkeit begünstigen einen Angstraum. Zudem sind persönliche Faktoren relevant, ob eine Person an gewissen Orten Angst verspürt und wie stark diese ist. Ist eine Person bereits Opfer eines Verbrechens im öffentlichen Raum geworden, wird sie dort eher Unsicherheitsgefühle haben, als eine Person, die diese Erfahrungen noch nicht gemacht hat (Krauß & Schwimmer, 2021).

Gefahr im öffentlichen Raum wird überschätzt

Oft wird die Gefahr, im öffentlichen Raum Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden, überschätzt. Tatsächlich passieren im Vergleich deutlich mehr Verbrechen im privaten Umfeld. Dennoch wirkt sich diese Einschätzung auf das subjektive Angstempfinden aus und sollte deshalb ernst genommen werden. Schließlich beeinflusst sie unser Verhalten erheblich und erschwert besonders für Frauen die Teilhabe am nächtlichen, städtischen Leben. In einer Umfrage von Infratest dimap gaben 42% der Frauen an, sich eher unsicher oder sehr unsicher im öffentlichen Raum zu fühlen, während der Anteil der Männer, die so antworteten, bei 29% lag. Somit sind sowohl Frauen als auch Männer im öffentlichen Raum von Unsicherheitsgefühlen betroffen, Frauen jedoch zu einem höheren Anteil.

Angsträume und das Klimaproblem

Angst kann zu Vermeidungsverhalten führen. Es werden dann beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel gemieden, um nicht an einer schlecht beleuchteten Haltestelle warten oder durch eine verlassene Unterführung gehen zu müssen. Eine weitere Anpassung aufgrund von Angsträumen kann generell die Einschränkung der eigenen Mobilität sein. Bestimmte Wege werden vermieden, bis hin das Menschen sogar zuhause bleiben, um sich der subjektiv wahrgenommenen Gefahr einer „gefährlichen Welt“ nicht aussetzen zu müssen.

Angsträume können die Mobilität einschränken und verhindern dadurch die Teilhabe am öffentlichen Leben. In einer Stadt sollten diese daher weitestgehend vermieden werden. Welche gestalterischen Maßnahmen wirken bei den Menschen besonders gut?

Wirksame Maßnahmen: Einsehbarkeit und Helligkeit

In einem wissenschaftlichen Artikel von Krauß und Schwimmer (2021) gaben Personen als häufigste Lösungsansätze für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum „Gute Beleuchtung“ sowie „Einsehbarkeit und Helligkeit“ an. Beide Maßnahmen beziehen sich auf physische, also bauliche, Eigenschaften von Angsträumen. Insbesondere die Verbesserung der Beleuchtung ist in den meisten Fällen eine effektive, relativ kurzfristig umsetzbare Maßnahme. Die Einsehbarkeit muss bereits bei der Planung von Neu- oder Umbauten im öffentlichen Raum mitgedacht werden, ein konkretes Beispiel wäre: Welche Pflanzen werden gesetzt? Wie hoch und dicht sollen sie wachsen? Dichte Hecken an ohnehin schon engen, dunklen Gassen – wohl keine gute Idee, besser sind niedrigere, durchlässige Stauden. Beides sind sinnvolle Maßnahmen, um an bestimmten Orten Unsicherheitsgefühle zu verringern.

Belebte Straßen erhöhen das subjektive Sicherheitsgefühl

Neben lokalisierten Maßnahmen gibt es in der generellen Konzeption von städtischen Zonen große Potentiale. Jane Jacobs postulierte bereits vor 60 Jahren drei Haupteigenschaften von sicheren Straßen:

  1. Klare Abgrenzung von öffentlichen und privaten Räumen.
  2. Eine Straße sollte stets belebt sein.
  3. Gebäude und Fenster sollen zum Straßenraum hin ausgerichtet sein.

Diese Ideale lassen sich nicht in jedem Straßenzug umsetzen und sehr belebte Straßen führen vor allem nachts dann wiederum zu Nachbarschaftskonflikten aufgrund von Lärm- oder Ruhestörungen. Trotzdem erhöhen belebte Straßen und Räume eher das Sicherheitsgefühl als unbelebte Zonen. Jane Jacobs hatte dazu konkrete Ideen: Kürzere Gehdistanzen durch kleinere Wohnblöcke, Bewirtschaftung an Gehsteigen, damit Leute dort gehen, Läden, Cafés und Lebensmittelmärkte, die tagsüber beleben und Bars und Restaurants in der Nacht. Jane Jacobs stellte sich mit ihrem Buch und ihrem Aktivismus gegen die damalige, orthodoxe Stadtplanung. On vogue waren Städte, in denen Wohnen, Arbeit und Freizeit in unterschiedlichen Vierteln stattfanden. Dadurch waren die meisten Wege nicht mehr fußläufig, was dazu führte, dass Menschen weniger zu Fuß unterwegs waren und häufiger Autos nutzten – ideale Bedingungen für die Entstehung von Angsträumen. 

Der vertraute Fremde – „familiar stranger“

In der Stadt treffen sich Menschen regelmäßig am selben Ort: auf dem Markt, beim Einkaufen oder in der Bim auf dem Arbeitsweg – ohne miteinander ins Gespräch zu kommen. Milgram (1977) konnte zeigen, dass das Interesse an einer Person ebenso wie die Hilfsbereitschaft mit der Anzahl der Begegnungen steigt. Das sogenannte Grätzel zeichnet sich genau dadurch aus, nämlich dass wir regelmäßig „vertrauten Fremden“ begegnen und dies wiederum stärkt das Sicherheitsgefühl und wirkt Ängsten entgegen. 

Die 15-Minuten-Stadt

Das Konzept der 15-Minuten-Stadt formulierte Carlos Moreno von der Pariser Sorbonne-Universität erstmals 2016. Kurze Wege für den täglichen Bedarf, eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit in den Bezirken, gute Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr sowie ein dichtes Netz von öffentlichen Verkehrsmitteln. Paris hat die 15-Minuten-Stadt international attraktiv gemacht, in Wien gab es sie allerdings schon vorher. Jedes gut belebte Grätzel zeichnet sich dadurch aus, dass in einem Radius von 15 Minuten die Dinge des täglichen Bedarfs fußläufig erreicht werden. Kleine Strukturen machen Städte nicht nur klimafitter, weil sie den motorisierten Individualverkehr reduzieren, sondern sie gestalten den Alltag praktischer, weil unnötig lange Wege vermieden werden können. Sie ermöglichen es, dass Menschen den öffentlichen Raum lebendig machen und sich dort ohne Angstgefühle bewegen können.

Fotos: ©STADTpsychologie

Literatur

  • Ehmayer, C. (2014): Die Aktivierende Stadtdiagnose als eine besondere Form der Organisationsdiagnose: Ein umwelt- und gemeindepsychologischer Beitrag für eine nachhaltige Stadt- und Gemeindeentwicklung. Hamburg: disserta
  • Jacobs, J. (1961). The death and life of great American cities (Vintage Books ed). Vintage Books.
  • Homburg, A. & Matthies, E. (1998). Umweltpsychologie. Weinheim: Juventa
  • Krauß, J., & Schwimmer, E. (2021). Städtische Angsträume–Analyse zur Steigerung der gendergerechten Stadtplanung für mehr Sicherheit bei Nacht. CITIES, 745-7

Dieser Text entstand unter Mitarbeit von Johann Aumüller.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert