KURIER: Die Stadt gehört uns allen
KURIER: Frau Ehmayer, der KURIER hat in den vergangenen Wochen Dutzende Grätzel-Initiativen vorgestellt. Sie haben 1998 das erste Projekt der Mitgestaltungsplattform „Lokale Agenda 21“ in Wien begleitet. Sind Sie mit der Entwicklung seitdem zufrieden?
Cornelia Ehmayer: Die Menschen sind sicherlich spontaner geworden. Als wir angefangen haben, gab es diese Urban-Gardening-Projekte noch gar nicht. Damals musste man den Menschen noch klarmachen: Die Stadt gehört uns allen. Eigne dir den öffentlichen Raum an.
Warum ist diese Aneignung von Raum so wichtig?
Nur so kann man sich in einer Stadt zu Hause fühlen. Soziale Nähe ist ein Grundbedürfnis. In dörflichen Strukturen sind die sozialen Kontakte natürlich gewachsen. Im urbanen Raum muss man sie aktiv suchen. Initiativen helfen, Nachbarschaft zu schaffen.
Im Zuge der Grätzel-Serie stellte sich heraus, dass manche Bezirke aktiver sind als andere.
Es fällt auf, dass sich gerade im innerstädtischen Raum viele Menschen engagieren. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass Menschen mit ähnlichen Interessen, Einstellungen und Lebensstilen aufeinandertreffen. Nachbarschaft funktioniert nicht, wenn Menschen zu unterschiedlich sind.
Aber Großstadt und Homogenität – passt das zusammen?
Menschen können ja aus der ganzen Welt kommen und dennoch ähnliche Interessen haben. Der 7. Bezirk ist ein gutes Beispiel. Ganz klischeehaft: Hier hat man das Gefühl, dass sich alle ein wenig ähnlich sind; das sind Menschen mit hohem Bildungsstand, die bewusst auf ein Autos verzichten.
Derzeit ist die „Lokale Agenda 21“ in sieben Bezirken vertreten. Ein Erfolg oder eine Enttäuschung?
Ehrlich gesagt, finde ich das ein bisschen schade. Ich würde mir eine Agenda in jedem Bezirk wünschen. Ich glaube, dass es dem Bezirk guttut, wenn die Politik gemeinsam mit der Bevölkerung lernt, kleine Dinge zu verändern.
Hat es die Stadt verabsäumt, den Bürgern das Gefühl zu geben, genug Mitsprache zu haben?
Was Veränderung betrifft, ist Wien sicher behäbig. Hier spielen immer noch Sisi und der Kaiser hinein.Die Angebote sind zwar besser geworden. Trotzdem sind Menschen, die etwas für die Nachbarschaft tun, in Wien sicherlich noch Pioniere.
Weil es an der nötigen Unterstützung fehlt?
Ja, es braucht dafür einfach Institutionen, die solche Projekte fördern.
Sie arbeiten gemeinsam mit der Stadt am Masterplan Partizipation. Was wird sich ändern?
Wir versuchen, geregeltere Bahnen für Bürgerbeteiligung zu schaffen.
Damit auch Mitgestaltung bei größeren Projekten möglich wird?
Mitgestaltung ist in dem Moment, wo es um Verantwortung geht, schwierig. Mitsprache soll aber in jedem Fall sein. Und die muss so frühzeitig wie nur möglich passieren.