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Armut in der Stadt

Armut verändert das Antlitz einer Stadt. Sie ist nicht schön anzusehen und scheint an Orten, die sich zunehmend Kommerz und Konsum verschreiben, keinen Platz mehr zu haben. Wie präsent darf die Kehrseite des Wohlstands also in unseren Städten sein?


Architektur der Armut

Vielfach lässt sich anhand der Geschäftsnutzung (etwa Wettlokale, 1 Euro-Shops) eine „Architektur der Armut“ nachzeichnen, wohingegen hochpreisige Delikatessengeschäfte und Biorestaurants auf eine finanzkräftigere Bewohnerschaft schließen lassen. Mittlerweile wird häufig versucht, mittels Hausregeln, Videokameras, privaten Sicherheitsdiensten, aber auch architektonischen Mitteln wie Blumenkübeln, abgeschrägten Fensterbänken, geteilten Parkbänken „unerwünschte“ Personengruppen am Aufenthalt im öffentlichen Raum zu hindern. Wie problematisch eine solche Entwicklung ist, wird dann deutlich, wenn man sich fragt, welche Kriterien man dann zukünftig erfüllen muss, um am öffentlichen Raum teilzuhaben.

Soziale Brennpunkte

Jede größere Stadt hat ihre sozialen Brennpunkte, welche ein Unsicherheitsgefühl erzeugen und von denen man sich rasch entfernen möchte. Nicht immer hat dieses Unsicherheitsgefühl mit einer realen Bedrohung zu tun, oft reicht eine schlechte Beleuchtung, ein verschmutzter Gehsteig oder eine abblätternde Häuserwand, damit Unbehagen aufkommt. In der Fachsprache werden solche Orte als „Angsträume“ bezeichnet. Welche Orte das sind, variiert oft im Laufe der Zeit: War beispielsweise der Wiener Karlsplatz lange Zeit von der Drogenszene dominiert, so erscheint dieser Ort heute – nicht zuletzt dank vieler kultureller Veranstaltungen – in einem ganz anderen Licht.

0 Menschen_neu _ip_ps KopieIn Wien haftet aktuell Teilen des Gürtels sowie dem Praterstern ein problematisches Image an. Es sind dies Orte, wo sich gesellschaftlich ausgegrenzte Gruppen wiederfinden und vor allem: im öffentlichen Raum sichtbar werden. Es ist kein angenehmer Anblick, wenn Armut oder Drogensucht, sozialer Abstieg oder Krankheit öffentlich sichtbar werden. Es erinnert Menschen daran, dass es ihnen vielleicht auch eines Tages so gehen könnte. So entsteht eine innere Abwehr gegen diese Bilder der Armut, die sich in weiterer Folge dann auch gegen die Menschen richten, die dieses Bild verkörpern. Aus psychologischer Sicht ist es verständlich, wenn dann Wünsche laut werden, keine Bänke mehr aufzustellen, an denen sich Obdachlose aufhalten können oder wenn gefordert wird, dass Drogensüchtige keinen Zutritt zu einem öffentlichen Park erhalten sollen. Aus Perspektive der Stadtentwicklung ist es jedoch äußerst bedenklich, diese Menschen komplett aus dem Stadtbild zu verbannen. Oft werden diese Personengruppen im Zuge von zweifelhaften Maßnahmen zwar verdrängt, sie wandern aber weiter und suchen sich neue Plätze, an denen sie sich aufhalten. Gerade marginalisierte Gruppen brauchen aber einen Ort, an dem sie sich aufhalten dürfen. Dies sollte ein schöner, angenehmer Ort sein, denn das wertet jene auf, die sowieso schon an der untersten Leiter der Gesellschaft stehen.

Stadt für alle

Gerade im Zuge der Flüchtlingsthematik hat das Thema Armut eine neue, traurige Aktualität erfahren. Armut wird in den nächsten Jahren wohl noch deutlicher im Stadtbild sichtbar werden und es ist wichtig, bei Planungs- und Umgestaltungsmaßnahmen nicht auf benachteiligte Personengruppen zu vergessen. Schließlich darf der öffentliche Raum kein Exklusivgut sein, das nur für einige wenige Privilegierte zugänglich ist – denn die Stadt gehört allen.


Laut Statistik Austria galten 2014 in Österreich rund 1,6 Millionen Menschen als armuts- bzw. ausgrenzungsgefährdet, das entspricht 19,2% der Gesamtbevölkerung, also fast jede 5. Person. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des typischen Einkommens zur Verfügung hat. Eine weitere wichtige Unterscheidung besteht in der Differenzierung zwischen relativer und absoluter Armut: Als relativ arm gilt, wer im Vergleich zum Rest der Gesellschaft über bedeutend weniger Einkommen verfügt, was somit ein guter Indikator für soziale Ungleichheit auf nationaler Ebene ist. Absolute Armut dagegen verweist darauf, dass die grundlegendsten Bedürfnisse nicht erfüllt werden können und Menschen permanent ums Überleben kämpfen müssen.

 

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