Das Dorf in der Stadt – Von 15 Minuten Städten zu resilienten Nachbarschaften
Das Konzept der 15-Minuten-Stadt bezieht sich auf eine städtische Planungsidee, bei der die wesentlichen Bedürfnisse von Bewohner*innen innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad gedeckt werden. Der Stadtplaner Carlos Moreno entwickelte das Konzept als Antwort auf die Frage nach Lösungen für die Herausforderungen, denen moderne Städte in Bezug auf Umweltverschmutzung, Verkehrsprobleme und soziale Ungleichheit gegenüberstehen. In Wien kennen wir das Konzept schon lange, die Wiener*innen sagen dazu: „Wien ist ein Dorf“.
Zu Fuß in die Arbeit, in den Supermarkt, zur Bank und zum Sport? In der 15-Minuten-Stadt überhaupt kein Problem.
Das Ziel der 15-Minuten-Stadt besteht darin, ein nachhaltigeres, lebenswerteres und umweltfreundlicheres städtisches Umfeld zu schaffen, in dem Menschen weniger auf Autos angewiesen sind und gleichzeitig erhöhte Lebensqualität genießen können. Das Konzept wurde maßgeblich von dem französisch-kolumbianischen Stadtplaner Carlos Moreno geprägt (Moreno et al., 2021) und besagt, dass Menschen innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad Zugang zu allen wesentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen haben sollten, die sie im Alltag benötigen. Dies umfasst unter anderem Geschäfte, Schulen, Arbeitsplätze, Gesundheitsversorgung, Parks und Freizeiteinrichtungen. Menschen sollen in ihrer Mobilität bereichert und nicht eingeschränkt werden. Langstreckige Mobilitätsangebote bleiben erhalten, doch den Bewohner*innen einer Stadt ist es möglich, alle wichtigen Bedürfnisse in ihrer Nachbarschaft zu decken, was nicht nur Zeit spart, sondern auch Nachbarschaften stärkt.
Die 15 Minuten Nachbarschaft
Das Konzept der 15-Minuten-Stadt und das Prinzip der Nachbarschaft sind eng miteinander verbunden, da beide gemeinsame Ziele haben: die Förderung von lokalem Leben, Nachhaltigkeit und Gemeinschaft. Im Rahmen der Stadtentwicklung wird bereits oft in Nachbarschaften gedacht. Diese werden in einer 15-Minuten-Stadt weiter gestärkt und besser ausgestattet, um ein vollständiges und ausgewogenes Leben vor Ort zu ermöglichen. Nachbarschaften werden so zu multifunktionalen Räumen, die sowohl Wohnen als auch Arbeiten und Freizeit integrieren.
Wie kann das Konzept der 15-Minuten-Stadt nun konkret zu starken und resilienten Nachbarschaften verhelfen? Indem Menschen vermehrt in ihrer unmittelbaren Umgebung unterwegs sind, werden Nachbarschaften lebendiger. Bewohner*innen begegnen sich häufiger und erhalten somit mehr Gelegenheiten, um ihre sozialen Bindungen zu stärken. Dies fördert nicht nur den sozialen Zusammenhalt, sondern schafft auch ein Netzwerk gegenseitiger Unterstützung, welches in Krisenzeiten die Resilienz der Gemeinschaft erhöht. In Wien ist dies bereits viellerorst gegeben und in unserer Studie aus 2003 zum Wesen Wien, wird der dörfliche Charakter der Stadt besonders betont. Eine Eigenschaft, die auch unsere Folgestudie aus dem Jahre 2023 bestätigen kann und besonders an Orten wie der klimafitten Lerchenfelder Straße zu spüren ist. Wien ist und bleibt Großstadt und Dorf zugleich.
Wien: Alles in 15 Minuten erreichbar?
Auch die Stadt Wien legt in ihrer Smart Klima City Strategie fest, dass die Gestaltung von Stadtteilen nach dem Konzept der 15-Minuten-Stadt geschehen soll. Wiener*innen soll es ermöglicht werden, wichtige Bedürfnisse wie Wohnen, Lernen, Arbeiten, Einkaufen und vieles mehr, in nächster Nähe decken zu können. Wien ist glücklicherweise im internationalen Vergleich bereits eine Stadt der Fußgänger*innen und Bewohner*innen legen mehr als ein Drittel ihrer alltäglichen Wegstrecken zu Fuß zurück (siehe Mobilitätsagentur). Um diese bereits existierende Kultur des Zu-Fuß-Gehens noch weiter zu fördern, werden in den kommenden Jahren verschiedenste Maßnahmen gesetzt, wie beispielsweise der Ausbau von Wiens Fußwegenetz, die Verbreiterung von Gehsteigen, die Erschließung neuer Fußgängerzonen, und die generelle Steigerung der Aufenthalts-Qualität im öffentlichen Raum. Grundlage für all diese Vorhaben sind die sogenannten „Masterpläne Gehen“.
Als Grundlage für einen solchen Masterplan, wurde beispielsweise in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt das LiDo-Projekt (Links der Donau geht was weiter) ins Leben gerufen. Das Ziel dieses Projektes war es, eine lebhafte Kultur des gemeinsamen Zu-Fuß-Gehens zu kultivieren und zu stärken. Der Grundgedanke von LiDo lautet: Floridsdorf und Donaustadt haben jede Menge zu bieten—besonders wenn man zu Fuß unterwegs ist! Vor allem in Flächenbezirken sind solche Projekte essenziell, um Menschen zum Zu-Fuß-Gehen zu motivieren und auch die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Aber auch Angebote wie die LiDo Wanderkarte und Zu-Fuß-Geh-Events wie 12-Stunden-LiDo sollen Menschen das Zu-Fuß-Gehen näherbringen.
Fazit
Die 15-Minuten-Stadt zielt darauf ab, städtische Nachbarschaften so zu gestalten, dass sie alle wesentlichen Funktionen und Angebote des täglichen Lebens innerhalb kurzer Reichweite anbieten. Besonders das Zu-Fuß-Gehen spielt dabei eine zentrale Rolle. Städte wie Wien setzen bereits konkrete Maßnahmen, um das Fußwegenetz auszubauen und das Zu-Fuß-Gehen noch attraktiver zu gestalten. Diese Kombination aus dem planerischen Konzept der 15-Minuten-Stadt und der Förderung des Zu-Fuß-Gehens, sorgt im Idealfall dafür, dass sich mehr und mehr Bewohner*inne im unmittelbaren öffentlichen Raum aufhalten uns sich in diesem auch wohlfühlen. Das stärkt sowohl die lokale Gemeinschaft und Nachbarschaft als auch die Nachhaltigkeit und Resilienz einer Stadt als Ganzes.
Mehr zum Thema gesunder Nachbarschaft gibt es auch auf unsrem >Blog<
Weiterführende Links
- Blog zu den Merkmalen idealer Nachbarschaften: https://stadtpsychologie.at/gibt-es-die-ideale-nachbarschaft/
- LiDo-Projekt: https://stadtpsychologie.at/lido-geht-links-der-donau-geht-was-weiter/
- Mobilitätsagentur – Masterplan Gehen: https://www.wienzufuss.at/masterplan-gehen/
- Interaktive Visualisierung/Karte von Wien als 15-Minuten Stadt: https://whatif.sonycsl.it/15mincity/15min.php?idcity=9127
- Mehr Informationen zu Healthy Streets auch unter: https://www.15minutecity.com/
- Moreno, C., Allam, Z., Chabaud, D., Gall, C., & Pratlong, F. (2021). Introducing the “15-Minute City”: Sustainability, resilience and place identity in future post-pandemic cities. Smart cities, 4(1), 93-111.
- Studie zum Wesen Wien 2023: https://stadtpsychologie.at/wesen-wien-2023-was-hat-sich-seit-damals-veraendert/
- Studie zum Wesen Wien 2003: https://stadtpsychologie.at/wesen-wien/