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Wohnzufriedenheit im Hochhaus

Wohnen schafft Wohlbefinden und wirkt sich auf die psychische Gesundheit aus. Das belegen zahlreiche psychologische Studien. Derzeit noch wenig erforscht ist, welchen Einfluss das Wohnen im Hochhaus auf die Bewohnerinnen und Bewohner hat. Die STADTpsychologie hat recherchiert und ist zu folgenden Ergebnissen gekommen:


Wer wohnt im Hochaus?

Hochhäuser ziehen vor allem junge gebildete, urban orientierte Singles an sowie Personen ab 50 Jahren. Es lässt sich sagen, dass sich die Wohnphase im Hochhaus meistens entweder vor oder nach einer Familiengründung abspielt, also bevor es Kinder gibt bzw. wenn diese schon wieder aus dem Haus sind. Normalerweise besteht der Haushalt in einem Hochhaus aus 1-2 Personen, falls es doch Kinder gibt, dann höchstens zwei. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner sind gebildet, haben Matura oder eine akademische Ausbildung. Dadurch sind sie auch finanziell besser gestellt als der Durchschnitt.

Welche psychologischen Effekte üben Hochhäuser auf ihre Bewohnerinnen und Bewohner aus?

Die Metastudie von Robert Gifford (2007) zu diesem Thema zeigt, dass Wohnen in Hochhäusern tendenziell zu Entfremdung führt, was sich auch in einem Mangel an nachbarschaftlicher Unterstützung ausdrückt. Charles Montgomery (2013) kommt in seinem wirklich lesenswerten Buch „Happy City“ zu ähnlichen Ergebnissen: In Hochhäusern entstehen keine nachbarschaftlichen Stützsysteme. Es fehlt hier somit an einer wertvollen gesellschaftlichen Ressource, die in der soziologischen Diskussion nach Bourdieu als Sozialkapital bezeichnet wird (Jansen, 2006). Die Studie von Gifford zeigt weiters, dass Menschen in Hochhäusern aufgrund fehlender nachbarschaftlicher Beziehungen durchwegs ängstlicher sind als der Durchschnitt. Ältere Menschen weisen öfter psychische Probleme auf und sind sozial noch isolierter als in anderen Wohnformen.

Welche positiven Aspekte lassen sich beschreiben?

Geschätzt wird an einem Hochhaus unter anderem die gute Sicht in höheren Stockwerken sowie – falls das Hochhaus zentral und urban liegt – die gute Lage, idealerweise mit Grünräumen. Je höher man wohnt, desto zufriedener ist man im Normalfall auch, sofern ein Sichtbezug zum Boden (Straße, Bäume, Menschen) gegeben ist. Hier hat sich nämlich gezeigt, dass die Wohnzufriedenheit wieder abnimmt, wenn die Wohnung in zu großer Entfernung vom Boden liegt.

Wie kann die Wohnqualität im Hochhaus positiv beeinflusst werden?

Laut Forschungsergebnissen erhöht ein Portier das subjektive Sicherheitsgefühl der Bewohnerinnen und Bewohner deutlich. Die fehlende nachbarschaftliche Unterstützung wird so durch eine externe soziale Kontrolle kompensiert. Eine Wohnung, die in einer gewissen Höhe liegt und eine optimale Sicht garantiert, steigert das Wohlbefinden ebenfalls. Eine Bewohnerschaft, die aktiv an nachbarschaftlichen Beziehungen interessiert ist, wäre gerade bei Hochhäusern ein ganz wesentlicher Faktor.

Wie stehen die Wienerinnen und Wiener zum Hochhaus?

Eine aktuell repräsentative Studie gibt es nicht, deshalb lässt sich darüber nur spekulieren: die Wienerinnen und Wiener stehen den Hochhäusern wohl aber eher ablehnend gegenüber. Das Errichten eines neuen Hochhauses in einer bestehenden Wohnumgebung oder auf der grünen Wiese sorgt in Wien zunächst einmal für Vorbehalte und Skepsis. Diese Vorbehalte sind psychologisch nachvollziehbar, geht doch mit dem Bau eines Hochhauses eine starke Veränderung im Stadtbild und damit auch mit der vertrauten Wohnumgebung einher. Hier ist es ganz besonders wichtig, die Betroffenen bereits in den Planungsprozess einzubinden, so wie es im Masterplan für eine partizipative Stadtentwicklung – der im Dezember 2016 im Wiener Gemeinderat beschlossen wurde – vorgesehen ist.

Warum ist die Wohnzufriedenheit in den Hochhäusern des Wohnparks Alt-Erlaa so besonders hoch?

Die Wohnzufriedenheit des Wohnparks Alt-Erlaa (Wikipedia) hat vor allen damit zu tun, dass es von Beginn an eine sehr aktive Nachbarschaft gab. Viele Gruppen fanden sich zu unterschiedlichsten Aktivitäten zusammen und kommunizierten ihre Aktivitäten auch über klassische Medien wie Zeitung oder Fernsehen an die anderen Bewohnerinnen und Bewohner. Dies führte zu einem hohen Sense of Community (Gemeinschaftsgefühl), das auch noch heute vorhanden ist. Wesentlich ist, dass ein vorhandener Sense of Community das eigene Wohlbefinden steigert und sich auf die Gesundheit positiv auswirkt. Ziemlich sicher sind die Menschen in Alt-Erlaa weniger krank als in vergleichbaren Wohngebieten mit geringerer Wohnzufriedenheit. Wichtig ist jedoch zu bemerken, dass der Wohnpark Alt-Erlaa ein Prestigeobjekt mit ganz besonderen Qualitäten ist, das nicht repräsentativ für andere Hochhaussiedlungen herangezogen werden kann.

Hat sich in den letzten Jahren in der Wahrnehmung von Hochhäusern etwas geändert?

Bemerkenswert ist, dass sich unsere Wahrnehmung, was ein Hochhaus ausmacht, in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat: Vor 30 Jahren wurde das Philips-Haus an der Triester Straße als Hochhaus wahrgenommen, heute wird es vermutlich nicht einmal mehr als hohes Haus gesehen. Der Ringturm mit seinen 70 Metern wird eher als „hohes Haus“ und nicht als Hochhaus bezeichnet. Die Wohnsiedlungen am Wienerberg oder über der alten Donau mit ihren 100 Metern (und mehr) entsprechen dagegen am ehesten unseren aktuellen Vorstellungen vom Hochhaus.

Verwendete Literatur:

Bourdieu, Pierre: Sozialer Raum und „Klassen“. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1995 // Ehmayer, Cornelia: Die „Aktivierende Stadtdiagnose“ als eine besondere Form der Organisationsdiagnose. Ein umwelt- und gemeindepsychologischer Beitrag für eine nachhaltige Stadt- und Gemeindeentwicklung. Hamburg: disserta Verlag, 2014 // Gifford, Robert: The Consequences of Living in High-Rise Buildings. Architectural Science Review 02/2007; 50(1):2-17 // Jansen, Dorothea: Einführung in die Netzwerkanalyse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage, 2006 // Masterplan für eine partizipative Stadtentwicklung: https://masterplan-partizipation.wien.gv.at/site/; abgerufen am 10.3.2015 // Montgomery, Charles: Happy City. Transforming Our Lives Through Urban Design. London: Penguin, 2013 // Musil, Ilse: Wohnzufriedenheit und Wohlbefinden in Hochhäusern. Diplomarbeit: Universität Wien, 2004 // Wohnpark Alt-Erlaa: http://de.wikipedia.org/wiki/Wohnpark_Alt-Erlaa; abgerufen am 10.3.2015

2 Comments

  • Horst Eisterer

    Wohnhochhäuser sind nicht nur für Familien mit Kindern ungeeignet, sondern führen zu erheblichen Mehrkosten im Bau, Unterhält und Betrieb. Das heisst höhere Mietkosten. Höchste Zeit auch, dass sich Psychologinnen und Soziologinnen mit deren Auswirkungen auf das Gemüt befassen. Hochhäuser bringen auch unerhebliche Freiflächengewinne, was schon Roland Rainer u.a. nachweisen konnten.

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